Spieglein, Spieglein

Kapitel 14

Wo fährt der Flamingo mit dem Mountainbike zum Karneval?

«Titi-KAKA-See» plappert klein Lena lachend ihrem Papa nach, natürlich ohne sich dabei zu denken, dass sie über 20 Jahre später selbst am ‘höchstgelegenen schiffbaren Gewässer der Welt’ stehen wird. 

Abgesehen von der beeindruckenden Höhenlage des Sees gehört der Titicacasee auch zu den grössten Seen Südamerikas. Er liegt auf der Grenze zwischen Peru und Bolivien. Eine eingängige Internetrecherche bestätigt: beim Titicacasee ist der Übergang zwischen Must-See und Touristenfalle fliessend. 

Wir entscheiden uns deshalb für die weniger besuchte bolivianische Seeseite. Nach einem reibungslosen und entspannten Grenzübergang verpassen wir beinahe unser Boot auf die Isla del Sol – wieso hat denn niemand die Zeitumstellung erwähnt?! Schnaufend beim Boot angekommen, dürfen wir erstmal eine Runde warten, bevor wir dann während zwei Stunden über den See tuckern. Mit dem, was uns bei der Ankunft im 177 Seelendorf (Stand 2012) Challapampa im Norden der Insel erwartet, hätten wir nicht gerechnet. Fasnacht. In traditioneller Kleidung tanzen die Dorfbewohnerinnen und -bewohner durch die Gassen. Begleitet werden sie von einer Gruppe Marschmusikanten, die mit kindlicher Begeisterung und eben so viel Talent die immergleichen Lieder spielen. Die Guggenmusikklänge begleiten uns auf unserem Abendspatziergang auf den nächstgelegenen 4000er. Der Weg führt uns vorbei an Inkaruinen und bietet einen spektakulären Panoramablick über den See. 

Gefährlicher Striptease

Entspannte Tage beflügeln unsere Abenteuerlust. Also buchen wir spontan eine Downhill-Biketour entlang der gefährlichsten Strasse der Welt. Bevor beim Namen «camino de la muerte», «Death Road» oder «Todesstrasse» bei jemandem die Fantasie durchgeht – der Name ist heute nur noch selten Programm. Für die in den 30er Jahren durch paraguayische Kriegsgefangene gebaute Strasse gibt es seit 2007 eine sichere asphaltierte Umfahrungsstrasse. Damit wurde die Hauptverkehrsachse vom Amazonasbecken in das Hochland von Bolivien zum touristischen Bikeerlebnis. 65 Kilometer schlängelt sich die einspurige Schotterpiste knapp 3500 Meter durch die atemberaubende Natur aller Klimazonen – soweit bis das Outfit von sieben Schichten bis zur Badehose weggeschmolzen ist. 

Flamingo im Salzmantel

Auf den Adrenalinschub erst mal wieder ein Nachtbus – von La Paz nach Uyuni. Wir finden uns früh morgens in einer verregneten Geisterstadt wieder. Die kurze Nacht, das unkoordinierte Chaos beim Touranbieter und die ersten zwei überfüllten Stopps lassen uns die dreitägige Tour durch Boliviens Salzwüste bereits mental auf die Touristenfalle-Liste setzen. 

Glücklicherweise stellt sich heraus, dass wir unser Urteil ein wenig vorschnell gefällt haben. Wie unsere Geländewagen im seichten Wasser über die endlosen Salzflächen fahren, wirkt hypnotisierend. Die perfekt glatte Oberfläche mit ihren Spiegelungen, abgelöst von Lagunen voller Flamingos, steppenähnlichen Wüstenregionen mit wilden Lamas, dampfenden Geysiren in der Morgenstimmung  und majestätischen Vulkanen am Horizont sorgen für eine surreal schöne Kulisse. Die langen Autostunden zwischen diesen Stopps werden durch die tolle Gesellschaft unseren britischen Mitstreiterinnen verkürzt. 

Ganz nach dem Motto «heiter weiter» setzen wir uns nach sechs Stunden Rückfahrt am nächsten Morgen um 3 Uhr in ein Taxi, nur um im Anschluss einen 28-stündigen Busmarathon nach Buenos Aires zu absolvieren. Spätestens nach dem Grenzchaos mit dem anschliessenden Sprint zum Bus zweifeln wir, ob der teurere Flug nicht doch die bessere Option gewesen wäre. So oder so: Burrito ist und bleibt in Sachen Fortbewegung unsere erste Wahl. 

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