Go West
Kapitel 1
25 Stunden Tage und andere Kuriositäten
Kurz und knapp zusammengefasst, was sich alles andere als so angefühlt hat.
Burrito der Seefahrer
Während zwei Wochen tuckert unser Burrito von Hamburg nach Halifax. Nach seinem einwöchigen Hafenaufenthalt trennen uns nur noch drei Stopps von unserem Zuhause fürs nächste Jahr: Spedition, Zoll und Reederei. Bereits bei der Einfahrt aufs Reederei-Gelände machen wir unser Prachtstück in Mitte zahlreicher Artgenossen ausfindig. Nur wenig später lenken wir, über beide Backen grinsend, Burrito auf den Highway 1 in Richtung Westen. Alles intakt, das ganze Material noch wo wir es Wochen zuvor platziert hatten. Nichts steht dem Aufbruch mehr im Wege.
5053 Kilometer, 52 Fahrstunden, 6 Tage & 3 Zeitzonen
Der Motor vibriert unter den Füssen. Die schlecht isolierten Fenster lassen die Umgebungsgeräusche ungehindert eindringen. Die schlechten Radioboxen sind so laut aufgedreht, dass sich die Stimme des Hörbuch-Erzählers* überschlägt. Unsere Blicke suchen unaufhörlich die vorbeiziehende Landschaft nach Bären, Rehen und Elchen ab. Zu sehen bekommen wir die wilden Bewohner Kanadas aber (mit Ausnahme des beinahe Zusammenstosses mit einem Schwarzbär) nur auf den zahlreichen Warnschildern, die den Strassenrand säumen. Das Wetter wechselt ungefähr so häufig, wie unser Koffein Nachschub nötig ist. Das Landschaftsbild hingegen bleibt überraschend eintönig.
Zwischen unserem östlichen Ausgangspunkt Halifax und dem Anfang der Rocky Mountains liegen über 5000 Kilometer. Der Drang, endlich die eigentliche Reise starten zu können, bestimmt unsere Etappenziele – die wir natürlich gekonnt schon am ersten Tag über Bord werfen. Wir gönnen uns ausgedehnte Pausen: Ein erster Grosseinkauf, Stadtbummeln, Museumsbesuch und Sporteinheiten. Die Tage fühlen sich länger an als gewöhnlich. Die drei Zeitzonen, die wir durchfahren, tragen ihren Teil (oder besser gesagt ihre Stunde) dazu bei.
Der Osten Kanadas ist übersät mit Seen, Flüssen und hügeligen Moorlandschaften. So viel verrät uns zumindest Google Maps. Denn was wir sehen ist Wald, Wald, Wald, «oh, das war doch ein See», Wald, Wald… Der Trans Canadian Highway schlängelt sich die ersten knapp 3‘500 Kilometer mehrheitlich durch eine Waldschneise. Mittagshalt machen wir auf einem der hübschen Rastplätze, gerne dann auch mal direkt am See. Schlafen tun wir meist nur unweit vom Highway – ist nicht sonderlich romantisch, aber praktisch.
*persönliche Hörbuchempfehlung: Qualityland von Marc-Uwe Kling
Burrito der Eisbrecher
Wir merken schnell, dass ein Schweizer Nummernschild in Kanada doch eher eine Seltenheit ist. Sei es der Tankstellenbesitzer, das Ehepaar auf dem Rastplatz oder der Typ auf dem Wallmart Parkplatz – immer wieder bleiben sie stehen, suchen interessiert das Gespräch, erzählen stolz von eigenen Reisen und teilen Tipps.
Grosses, weites Nichts
Mit jedem Kilometer, den wir uns durch die Great Planes kämpfen, steigt die Vorfreude auf das, was sich am Horizont abzeichnet. Bei durchschnittlich 8.5 Fahrstunden die Konzentration stets aufrecht zu halten, ist gerade auf diesem Streckenabschnitt und mit bereits vier zurückgelegten Fahrtagen, kein Zuckerschlecken. Der Tempomat verführt dazu, die Sitzbeinhöcker zwischendurch zu entspannen – das Bremspedal ist dabei zugegeben nicht immer gleich umstandslos tretbar.
Und dann sehen wir sie: die Gipfel der Rocky Mountains, die sich wie eine mächtige Festung am Horizont auftürmen.