Kontraste

Prolog

Von schnellen Städten und langsamen Zügen

Mit unserer Ankunft im sommerlichen Toronto nimmt der kräftezehrende Vorbereitungsmarathon mit Bus Ausbau, Reiseplanung, und parallelem Arbeiten vorerst ein Ende. Bevor der Panamericana Roadtrip starten kann, tauchen wir in eine uns weniger bekannte Welt ein: Die Welt der schnelllebigen, vibrierenden und vielseitigen Grossstädte.

Toronto

Die im Herzen Kanadas gelegene Metropole Toronto steht für Gegensätze. Einige Einblicke:

Kultureller Schmelzkern
Chinesische Dim-Sum, altbekannte Schnellverpflegungsbuden, indisches Butter Chicken, italienische Kaffeekünste – die Toronto-typische kulturelle Vielfalt ist an jeder Strassenecke sichtbar und riechbar. Ein weiterer markanter Duft vermischt sich mit den Gewürzen aus aller Welt. Schäbige Marijuana Shops reihen sich, zusammen mit trendigen Interior-Design Schönheiten, an Modeläden, Restaurants und Hotels. 

Höhepunkt der friedlichen kulturellen Durchmischung bildet der Kensington Market mit Mexikanisch-Japanische Fusion Kitchen, alteingesessenen Rockern, einer lebhaften Prideszene, Afro-Amerikanischen Streetdance Artisten und bunten Graffitis.

Inserat vs. Reality (oder: die Kammer des Schreckens)
Kleines aber gemütliches Zimmer ein paar Querstrassen vom pulsierenden Stadtzentrum entfernt, so beschrieb das Inserat unser Airbnb. Übernächtigt bleiben wir erst mal mit unserem geschulterten Gepäck im viel zu schmalen Hinterhofgang stecken. Als nächstes Hindernis präsentiert sich uns eine baufällige, steile und vermooste Holztreppe, die eher zu einer Baumhütte als zu einem Hauseingang gepasst hätte. Zu müde, um die Suche nach Ohropax noch in derselben Nacht zu starten, wiegen uns laute Stimmorgane und feinfühlig betätigte Mixer in den Schlaf. Was alles andere als ins Bild der Lotterbude passt, ist der ausufernde Putz- beziehungsweise Bleichmittel-Fimmel der Gastgeberin, die wir übrigens nie zu Gesicht bekommen. Umso mehr ist ihre Präsenz dafür durch die überall aufgehängten Instruktions- und Warnschilder spürbar. 

Natürlich unnatürlich
Naturwunder begeistern nicht nur uns. Um möglichst viel davon ungestört geniessen zu können, entscheiden wir uns für den 5 Uhr Flixbus zu den Niagara Fällen (oder: „Niagra Falls“, was in der Aussprache der Kanadier:innen gefährlich ähnlich wie Viagra klingt). Aber stimmt schon, potent sind die tosenden, türkisblauen Wassermassen, die sich senkrecht in die Tiefe stürzen. Doch das eindrückliche Naturspektakel bietet scheinbar nicht genug. Neben Zipline, Touribooten und Tunnelführungen können sich jung und alt bis zum Umfallen bespassen lassen. Ein Kontrast, der uns eher zum Wegrennen, als zum Bleiben einlädt. Gesagt, getan: einmal über die Strasse, bis wir fast zur Gallionsfigur eines roten, gigantischen Pickups werden. Zu unserem Erstaunen geht es auf der anderen Seite der Strasse mit der Konsumhölle erst richtig los: Achterbahnen, Gruselhäuser, Freakshows, Dino-Minigolf, Go-Kart – und all das unter dem Namen „Street of Fun“. 

 

Montréal

Fünf Stunden Zugfahrt bringen uns nach Montréal, die Grossstadt mit französischem Flair. Die Durchsagen im Zug bestätigen, was wir schon befürchtet hatten: Unsere Französischkenntnisse werden wir hier nicht verbessern wollen. Ein starker, wenig charmanter englischer Akzent und andere Begrifflichkeiten lassen uns rasch wieder zum Englisch wechseln. Das Stadtbild von Montréal unterscheidet sich stark von Toronto. Alte Gebäude, mächtige Kirchen und moderne Wolkenkrazer bilden einen imposanten Mix. Wir entscheiden uns für einen spontanen Besuch des Hausbergs Mont Royal zum Sonnenuntergang. Die doppelspurigen Gehwege, die sich den „Berg“ hochschlängeln und die zahlreichen Parkplätze lassen bereits ahnen, was die Panoramaterrasse für uns bereithalten wird. Gelohnt hat sich der Ausblick trotzdem. 

In Montréal kommt man um eines nicht herum: Putine. Das inoffizielle Nationalgericht, wie uns der Mann hinter der Theke grinsend erklärt. Uns erinnert es stark an Raclette oder mit Käse überbackene Rösti mit Bratensauce. Geschmacklich ganz okay, mehr aber auch nicht. 

Nach über einer Woche Grossstadt-Wahnsinn ist unsere Sättigung merklich erreicht. Zeit, dem Bewegungsdrang Raum zu geben. Im gemütlichen Stadtviertel Mile-End gibts nach dem Auspowern in der „Drogheria Fine“ frische italienische Gnocchi mit Parmesan und im Café Olimpico einen Eiskaffee mit Aussensitzplatz – Peoplewatching inklusive. Gefällt uns.

 

Im Schneckentempo an die Ostküste

Wie am Flughafen geben wir unser Gepäck am schwer zu findenden Hauptbahnhof in Montréal ab. Das Handgepäck füllen wir mit dem Wichtigsten für die 23 Stündige Zugfahrt: Essen. Die fehlende Sitzplatzreservierung führt dazu, dass wir uns mit Einzelsitzplätzen hintereinander zufrieden geben müssen. Ansonsten ist die  Infrastruktur gut intakt, das viele Personal freundlich und die Klimaanlage funktionstüchtig. Als Gegenmassnahme zum fröstelnden Klima kuscheln wir uns zu einem Star Wars Serien Marathon auf einen Sitzplatz. Nach einer wenig erholsamen Nacht realisieren wir beim Stehfrühstück, wie langsam der Zug tatsächlich vor sich hin tuckert. Meist zwischen 17 und 41 km/h, meint die Website der Via Rail, auf der wir auch die immer grösser werdende Verspätung live mitverfolgen können.

 

Halifax

Was immer nur als letzter Zwischenstopp gedacht war, entpuppt sich als ein schnuckeliger Küstenort, der erstaunlich viel zu bieten hat. Einquartiert bei einem Architekten im trendigen North End, erreichen wir zahlreiche Kaffees, Quartierläden und Cider-Brauereien in unmittelbarer Gehdistanz. Die Hafenpromenade ist – zugegeben wenig überraschend – ein Mix aus Frachtschiffen, Freizeitpark und Fastfood. Der ideale Ort, um beim Picknicken den Menschen zuzuschauen und wieder einmal festzustellen, dass genau an Orten wie diesen der excessive Junk Food Konsum deutlich sichtbar ist. 

 

Übersicht Routenverlauf – Toronto bis Halifax

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